Höllenfahrt by unknow
Autor:unknow
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, Übersetzung
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 1921-12-31T23:00:00+00:00
XVII
Ich sagte zu meinem Bruder: du bist ein fanatischer Theoretiker, ich hasse die Sozialdemokraten, ihr seid imstande einen Menschen zu foltern, wenn er sich nur in einem Worte irrt. Ich sagte ihm: du bist ein astraler Mensch. Da jagte er mich aus dem Hause. Nun bin ich in Moskau ohne einen Pfennig Geld. Es ist furchtbar amüsant. Seien Sie so gut, Darja Dmitrijewna, legen Sie bei Nikolai Iwanowitsch ein Wort für mich ein. Mir ist es ganz gleich, was für einen Posten ich bekomme, â am besten wäre es natürlich in einem Sanitätszuge.«
»Ja, ja, ich will mit ihm sprechen.«
»Hier kenne ich keinen Menschen. Erinnern Sie sich noch an unsere âºZentraleâ¹? Wassilij Wenjaminowitsch Walet ist gefallen. Schade um ihn, er war auÃergewöhnlich begabt. Ssaposchkow ist irgendwo im Felde. Schirow hält im Kaukasus Vorträge über den Futurismus. Wo aber Iwan Iljitsch Teljegin ist, weià ich nicht. Ich glaube, Sie haben ihn gekannt?«
Jelisaweta Kijewna und Dascha gingen langsam zwischen hohen Schneehaufen durch eine Moskauer Gasse. Es schneite. Der Schnee knirschte unter den FüÃen. Ein Droschkenkutscher fuhr mit seinem niederen Schlitten langsam an ihnen vorbei; er hatte einen seiner Filzstiefel, mit einer Schneekruste überzogen, vom Bocke hängen und rief den beiden freundlich zu: »Fräuleins, Vorsicht, daà ich euch nicht überfahre!«
In diesem Winter gab es sehr viel Schnee. Schneebedeckte Lindenäste hingen tief über die Gasse herab. Der ganze weiÃe, schneerfüllte Himmel war voller Vögel. Die Krähen schwirrten scharenweise schreiend über der Stadt, setzten sich auf die Türme und Kirchenkuppeln und stiegen wieder in die kalte Höhe.
Dascha blieb an einer Ecke stehen und zupfte ihr weiÃes Kopftuch zurecht. Ihr Sealpelz und Muff waren von Schneeflocken bedeckt. Ihr Gesicht war schmächtiger, die Augen waren gröÃer und strenger geworden.
»Iwan Iljitsch ist unter den VermiÃten,« sagte sie, »ich weià nicht, was mit ihm ist.«
Dascha hob die Augen und sah auf die Vögel. Die Krähen muÃten wohl in der schneeverwehten Stadt ein Hungerleben führen. Jelisaweta Kijewna stand mit einem starren Lächeln auf ihren sehr roten Lippen, den Kopf in der Pelzmütze mit den Ohrenklappen gesenkt. Der Männermantel war ihr in der Brust zu eng, der Pelzkragen viel zu weit, und die kurzen Ãrmel vermochten die roten Hände nicht zu schützen. Auf ihren gelblichen Hals fiel eine Schneeflocke und schmolz. In ihren langen Wimpern standen Tränen. Dascha nahm sie bei der Hand und sagte: »Ich will heute noch mit Nikolai Iwanowitsch sprechen. Ja?«
»Sagen Sie ihm, daà ich mit jedem Posten einverstanden bin.« Jelisaweta Kijewna blickte zu Boden und schüttelte den Kopf. »Ich habe Iwan Iljitsch so furchtbar geliebt.« Sie lachte, und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Dieses Gefühl war das Beste in mir. Ich werde also morgen kommen. Auf Wiedersehen!«
Sie nahm Abschied und entfernte sich, in ihren Filzgaloschen weit ausschreitend, die erfrorenen Hände auf Männerart in die Taschen versenkt.
Dascha blickte ihr trotzig nach, zog dann die Brauen zusammen, bog um die Ecke und trat in das kleine Palais, in dem sich jetzt ein städtisches Lazarett befand. Hier roch es in den hohen, mit Eichenholz getäfelten und mit Leder tapezierten
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